M. Parkinson wird meist im sechsten Lebensjahrzehnt diagnostiziert - doch ca. 10% der Parkinsonkranken sind bei der Diagnosestellung unter 45-50 Jahre alt.
Diese werden als JUPPS = Junge Parkinson-Patienten bezeichnet. Wenn man von 20.000 Parkinsonbetroffenen in Österreich ausgeht, gibt es in Österreich ca. 2000 JUPPS.
Die klinische Ausprägung ist bei beiden Gruppen ähnlich, es gibt aber doch einige Unterschiede in der Charakteristik der Erkrankung.
Die Anzahl der durch die Behandlung hervorgerufenen motorischen Komplikationen und Wirkungsschwankungen tritt bei jüngeren Patienten häufiger auf. Die körperliche Beeinträchtigung kann zu höherer Stigmatisierung führen und genetische Faktoren scheinen bei jungen Patienten eine größere Rolle zu spielen. Auch Depressionen werden bei jüngeren Patienten häufiger festgestellt. Eine individuell zugeschnittene Therapie zur Verminderung der motorischen Komplikationen ist notwendig – eine längere Krankheitsdauer steht bevor. Auch den nicht motorischen Symptomen, die auch sehr die Lebensqualitätbeeinflussen, muss vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt werden. Nur ein Facharzt mit speziellem Interesse für Parkinson wird dem gerecht werden können.
Schließlich müssen die speziellen schwerwiegenden psychosozialen Konsequenzen und Probleme der Erkrankung berücksichtigt werden, die speziell den jungen Parkinsonpatienten betreffen:
Diese betreffen besonders ARBEIT und SOZIALE ABSICHERUNG sowie FAMILIE und SOZIALES UMFELD.
Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes bei Bekanntwerden der Diagnose – speziell bei Anstellung in der Privatwirtschaft - Wie werde ich begünstigt Behinderter? Kann mein Arbeitgeber mich als begünstigt Behinderter weiter beschäftigen bzw. brauchen? Weiß ich und weiß mein Arbeitgeber über die Vorteile der Einstufung als begünstigt Behinderter Bescheid?
Daher oft schwieriges, selteneres und spätes OUTEN. Geheimhalten der Diagnose solange es geht. Die körperliche Beeinträchtigung führt oft zu höherer Stigmatisierung, die als sehr belastend empfunden werden kann – man ist schnell als Alkoholiker oder Geisteskranker abgestempelt.
Dies alles begünstigt die Entwicklung eines Schamgefühls ob der Erkrankung!
Die Vermeidung der gutachterlichen Einstufungsuntersuchung bezüglich begünstigt Behindertem (GdB 50%) bedeutet, dass kein Behindertenausweis ausgestellt wird, ...damit Verzicht auf viele Vergünstigungen.
Existenzangst (Pensionsalter oft noch lange nicht erreicht. Inwieweit Schul-, Studien- und Ausbildungszeiten anrechenbar? Nachkauf von Versicherungszeiten sinnvoll? Bei Eintritt der Berufsunfähigkeit deutlicher Einkommensverlust zu befürchten, .....wenn dann noch Schulden zum Abzahlen sind – Existenz- und Familiengründung, Hausbau oder Wohnungskauf sind oft noch nicht so lange her ...)
Pflegegeldansuchen:
Viele zeigen Scham davor.
Angst vor Verlust des Führerscheins:
Jede gutachterliche Untersuchung wird gemieden – auch wenn es nur um die Beurteilung einer dauernden Gehbehinderung, wie beim Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises, geht.
Angst vor Belastung des sozialen Umfeldes, der Beziehungen zur Familie, zu Ehepartner – wie reagiert dieser?, zu eventuell noch schulpflichtigen Kindern - wie reagieren diese auf die Erkrankung des Elternteiles?, Kinder reagieren je nach Alter unterschiedlich
Die Sexualität kann plötzlich eine wichtige Rolle spielen: Libido krankheitsbedingt vermindert oder eventuell medikamentös gesteigert? (Dopaminagonisten).
Weitere Bereiche, die viele Fragen aufwerfen:
Der junge Parkinsonkranke hat zum Zeitpunkt der Diagnosestellung noch keinen Partner oder wird vom Partner verlassen – vielleicht sogar wegen der Erkrankung? Wo kann ein Partner gefunden werden? Wie verhalte ich mich ? Zu welchem Zeitpunkt soll das OUTEN erfolgen ? Wären Freundeskreis, Arbeitsplatz, Internetforen oder ev. die Selbsthilfegruppe eine Möglichkeit, einen Partner zu finden?
Schwangerschaft:
Neben der Frage: Welche Art der Verhütung ist zu empfehlen? - stellen sich bei Kinderwunsch und Schwangerschaft eine Reihe von Fragen: Risken einer Schwangerschaft für die Mutter (Birgt die hormonelle Umstellung die Gefahr eines ungünstigen Einflusses auf den Krankheitsverlauf?) und Risken für das Kind? (Aus Beipackzetteln einzelner Medikamente: Stalevo sollte bei Schwangerschaft nicht gegeben werden, bei Requip und Sifrol zu finden: Auswirkungen auf den Verlauf der Schwangerschaft und auf das ungeborene Kind nicht bekannt! – Nur dann zu geben, wenn Nutzen das mögliche Risiko für das ungeborene Kind überwiegt!?? Bei Azilect stünde im Beipackzettel: Fragen sie bei SS oder Stillen ihren Arzt oder Apotheker). Risken der Geburt (primäre Sectio anzustreben?).
Stillen unter Medikation möglich? (Stalevo=KI, Absetzen von Requip und Sifrol empfohlen, da Milchbildung gehemmt wird und Wirkungen auf das Neugeborene nicht bekannt sind, Azilect s.o.), Vererbung? (Wie schon oben erwähnt: Genetische Faktoren scheinen bei jungen Patienten eine größere Rolle zu spielen), Versorgung eines Neugeborenen möglich? Kann der Vater oder können Großeltern mithelfen? ...
Angst vor Belastung der Beziehungen zu Freunden – wie reagieren diese auf die Erkrankung? Mit Mitleid oder Abwendung? – besonders beim Eintritt der Berufsunfähigkeit ... Schamgefühl, man fühlt sich als Sozialschmarotzer?
Wohnsituation:
Sie wohnen alleine und brauchen doch schon etwas Hilfe beim Bewältigen des Alltags. Sie überlegen, was sie tun können, wenn es ihnen noch schlechter geht? Gäbe es die Möglichkeit des betreuten Wohnens? Es gibt zwar Wohngemeinschaften, aber meist nur für geistig oder mehrfach Behinderte. Und für ein Altersheim sind sie noch zu jung.
Auf Urlaub fahren:
Ohne Begleitperson geht es nicht mehr. Jemanden zu bezahlen, können sie sich nicht leisten. Angebote für Behinderte sind auch meist sehr teuer, und außerdem in erster Linie für Rollstuhlfahrer gedacht, was sie nicht sind.
Das alles betrifft JUPPS mehr als ältere Parkinsonerkrankte – diese leben meist in längerer Beziehung, Existenz durch Alterspension gesichert, Kinder meist erwachsen, Wohnung oder Haus abbezahlt, Sexualität spielt meist nicht mehr diese Rolle, ...
JUPPS–Treffen: Mit Information und Erfahrungsaustausch beim geselligen Zusammensein mit Verankerung der Gewissheit: Wir brauchen uns ob unserer Erkrankung nicht zu schämen!
Die auslösenden Ursachen sind bis heute nicht bekannt. Es liegt also nicht an einem "Fehlverhalten" von uns, wir hätten das Auftreten der Erkrankung nicht verhindern können.
WIR SIND MIT UNSEREM SCHICKSAL NICHT ALLEINE!!!!!
Zur Erhaltung unserer bestmöglichen Lebensqualität sind die optimale medikamentöse Einstellung, die Inanspruchnahme von Begleittherapien und ein unterstützendes soziales Umfeld nötig.
GEMEINSAM SIND WIR STARK!
Eb 11-2009
Ein JUPPS zu sein ist inzwischen eine Geisteshaltung geworden und die PSH wird immer speziell wichtig für uns sein.
Eb 11-2015